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Zwischen dem Artikel „Weiblichkeit“ und dem Artikel „Werk“ fehlt in den von Karlheinz Barck et al. herausgegebenen Ästhetischen Grundbegriffen eine „Welt“. Und im Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft gibt es zwar das „weltliche Spiel“, die „Weltliteratur“ und – direkt vor dem „Werbetext“ – das „Welttheater“, nicht aber die „Welt“ selbst, noch nicht einmal eine mögliche. Dieses Fehlen, die Lücke im Lexikon ästhetischer und literaturwissenschaftlicher Grundbegriffe, lässt sich als manifester Ausdruck eines epistemologischen Mangels lesen: In ihm begegnet einem gleichsam die sichtbare Leerstelle, die die kantische Erkenntniskritik in den Enzyklopädien der Moderne hinterlassen hat, indem sie das Ganze der Welt ins unerreichbare Außerhalb der menschlichen Erkenntnisfähigkeit rückte. Dass nicht erst seit Kants Antinomien der reinen Vernunft in diese begriffliche Leerstelle die Metapher tritt, hat Hans Blumenberg zum Fundament seiner Metaphorologie gemacht. Um den Ausgangspunkt dieser Metaphorologie bei der Frage „Was ist die Welt?” kreisen zahlreiche der in diesem Band versammelten Texte.... Am Anfang unseres Fragens nach Philologie und Welt war also weniger das Wort als sein Fehlen. In diesem Sinne kam es auch nicht in Frage, die Bestandteile des etwas ungelenken Kompositums Weltenphilologie einfach vorauszusetzen: Die Welt ist nicht genug, wenn man sie als Abstraktum, metaphysisch-kosmologischen Leitbegriff, als historisch wandelbaren Bedeutungsträger oder schließlich als absolute Metapher auffasst – und auch ihre Pluralisierung zeugt nur entfernt von der Möglichkeit, dass es viele, vielleicht zu viele Welten gibt, als dass man ihnen mit der einen Lesbarkeit gerecht werden könnte. Umgekehrt aber taugt auch die Philologie nicht dazu, dem notorisch unterbestimmten Weltbegriff eine metaphorische Stütze anzubieten, ist sie selbst doch Name einer Vielzahl von Verhaltensweisen, Praktiken und Auffassungen von Lesbarkeit, die sich ebenso einer Vereinfachung und Vereinheitlichung auf einen festumrissenen Begriff entziehen. Weltenphilologie sollte mithin eine Verschränkung zweier metaphorisch noch unbestimmter Räume darstellen, und so vielmehr zeigen, dass, wenn man sie denn einmal als absichtsvolle Katachrese ungehörig zusammenfügt, die Unbestimmtheit der Welt auf diejenige der Philologie hinüberwirken kann, ohne dass die ,Liebe zum Wort‘ sich mäßigend auf den Weltbegriff ausüben könnte. Die markante Pluralität der in diesem Band versammelten Perspektiven kennzeichnet die Offenheit des unter dem Rubrum der Weltenphilologie eröffneten Frage- und Denkraums; eines Denkraums, der nicht nur zur Diskussion darüber einladen sollte, was denn alles der Fall ist, sondern auch, wie wir hoffen, neue begriffliche und metaphorische Beieinanderstellungen ermöglicht.

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